Elisabeth Fiedler
Gründerin der ÖMCCV
Die Österreichische Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung ist mittlerweile eine Institution geworden, die von der Betreuung der an Chronisch Entzündlichen Darmerkrankungen (CED) leidenden Menschen nicht mehr wegzudenken ist. Die Gründungspräsidentin, Elisabeth Fiedler, blickt auf die Anfänge dieser Initiative zurück:
Ein längerer Klinikaufenthalt...
1981 war bei mir wieder einmal ein längerer Klinikaufenthalt notwendig geworden. Obwohl es mir damals sehr schlecht ging, habe ich die Zeit doch in sehr guter Erinnerung, weil ich das erste Mal nach elfjähriger Krankheitsdauer andere Morbus Crohn-Patienten kennenlernte. Da waren Menschen, die ähnliche Probleme wie ich hatten, und denen ich mich deshalb sehr nahe fühlte. Nach diesem Spitalaufenthalt trafen wir CED-Patienten mehrere Male mit unseren behandelnden Ärzten zusammen, wobei wir uns einiges von der Seele reden konnten. Wir, als Erkrankte, sahen damals, dass es einfacher ist, Sorgen und Nöte innerhalb einer Gruppe auszusprechen. Außerdem änderte sich durch diese Gespräche in positiver Weise unser Zugang zu den Ärzten und, wie ich meine, auch umgekehrt.
Von dieser Zeit an wurde auch immer wieder davon gesprochen, dass eine Vereinigung von CED-Patienten sehr wichtig sei und endlich gegründet werden müsste. Ich persönlich hatte mich medizinisch immer sehr gut versorgt gefühlt, auch meine Familie und meine Freunde verstanden mich so, wie ich es mir nur wünschen konnte. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, dass mir irgendetwas fehlte. Der Raum zwischen den Polen "krank" bzw. "Patient" einerseits und "gesund, staatliches Sozialgefüge, Familie, Arbeitsplatz, Sozialversicherung" andererseits schien mir nicht abgedeckt. Außerdem empfahlen die Ärzte der damaligen I.Universitätsklinik für Gastroenterologie und Hepatologie/Wien nachdrücklich, eine Selbsthilfegruppe zu gründen.
Die ersten Schritte waren nicht einfach
Schließlich waren wir eine kleine Gruppe, die tapfer daranging, die ÖMCCV ins Leben zu rufen. Keiner von uns hatte eine Ahnung, wie derlei zu bewerkstelligen wäre. Eine große Schwierigkeit stellte gleich unsere erste Aussendung dar. Wenn man CED-Patienten mitteilt, dass eine Vereinigung gegründet werden soll, und man sie gleich um ihre Mithilfe bitten möchte, dann ist Briefpapier mit einem entsprechenden Briefkopf sinnvoll, der Namen, Logo und vor allem Adresse der prospektiven Vereinigung enthalten muss.
Der Name der Vereinigung war kein Problem, schwieriger war schon die Konzeption des Logos. Wir haben lange herumprobiert und so entstand schließlich die Zeichnung, die den Darm symbolisieren soll. Die Gegensätze schwarz-weiß sollen zeigen, dass es uns CED-Patienten einmal gut und einmal schlecht geht, sowohl in körperlicher als auch in seelischer Hinsicht.
Nun aber die Adresse. Wer schon einmal in Wien eine Wohnung gesucht hat, weiß, wie schwierig dies ist, vor allem, wenn überhaupt kein Geld da ist. Wir hatten aber das Glück der Optimisten und so lud uns die "Frauenselbsthilfe nach Krebs" ein, doch auch das Vereinslokal der Taubstummenvereinigung zu benützen. Es war eine sehr nette Zeit in der Kleinen Pfarrgasse, im 2. Wiener Bezirk. Wir konnten den Saal für unsere Jours Fixes benützen und die Taubstummen verkauften Getränke und kleine Imbisse. Mittlerweile haben wir unser Büro schon längst im Haus des Martha-Frühwirth-Zentrums in der Oberen Augartenstraße.
Nachdem das Briefpapier gedruckt war, konnten wir endlich unseren ersten Brief an unsere CED-Patienten schicken. Dieser kostete uns noch einmal einiges Kopfzerbrechen, schließlich wollten wir nicht den Eindruck erwecken, dass, in dieser Vereinigung aufgenommen, ewig krank sein bedeutet. Die in Frage kommenden Leute sollten den Hinweis erhalten, ihr Engagement ergebe die Möglichkeit, mit der Erkrankung konstruktiver zu leben. Ebenso sollte in der Werbung die ablehnende Haltung gegen Sektierertum und Arztfeindlichkeit klar ersichtlich sein und das Wesen der Vereinigung als völlig freiwilliger Zusammenschluss gleichartig chronisch Kranker in einer privaten freundlichen Atmosphäre zu Tage treten.
Vor der Gründungssitzung mussten wir noch Statuten ausarbeiten und überhaupt alles erledigen, was das Vereinsgesetz vorsieht.
Unser erstes Jour fixe
Im Oktober 1984 war es dann endlich so weit: Die Gründungssitzung konnte stattfinden. Zu diesem allerersten Jour fixe kamen ungefähr 60 Interessenten. 60 Menschen, die zum Teil schon jahrelang mit ihrer schweren Erkrankung lebten, und die zum Teil das erste Mal mit jemandem sprechen konnten, dem man nicht erst erklären musste, was es heißt, über lange Zeit hinweg starke Schmerzen zu haben oder andauernd aufs Klo zu müssen. Sehr viele waren nicht nur gekommen, um Hilfe zu erlangen, sondern auch bereit, solche zu geben.
Nach der Gründungssitzung gab es sehr viele Arbeitstreffen, schließlich mussten viele Projekte in Angriff genommen werden. Eine Zeitung wurde gegründet, Plakate gedruckt und ausgesandt, Fachleute wurden gebeten, unentgeltlich bei unseren Jours Fixes zu sprechen und unsere Mitglieder zu beraten. Mediziner wurden gebeten, dem ärztlichen Beirat beizutreten, um uns Kranke gegebenenfalls zu unterstützen.
Es wurde begonnen, Zweigstellen zu gründen. Es war aber nicht einfach, mindestens zwei Mitglieder im jeweiligen Bundesland zu finden, die es auf sich nahmen, all die nötige Arbeit zu machen. Derzeit sind wir in der glücklichen Lage, dass in allen Zweigstellen mit großem Elan gearbeitet wird. Und last but not least wurde ein Telefondienst eingerichtet, über den regelmäßig ein von der Krankheit betroffenes Vereinsmitglied erreichbar ist, welches Informationen und Ratschläge geben kann.
Vollwertigkeit als Mensch
Im Laufe der Jahre wurde somit erreicht, dass Morbus Crohn und Colitis ulcerosa nicht mehr so unbekannt sind wie vorher. Es gibt jetzt viele gastroenterologische Zentren - nicht nur in Wien sondern auch in den Bundesländern -, die CED-Ambulanzen eingerichtet haben. Die Krankenversicherungsträger wurden auf unsere besondere Situation in Hinblick auf Krankenstände und Medikamentenbewilligungen hingewiesen, und ich möchte es nicht unterlassen zu erwähnen, dass uns nun alle Krankenkassen, eingedenk der Schwere unserer Erkrankungen, problemlos unterstützen. Auch wurden und werden CED-Kranke eingeladen, auf gastroenterologischen Kongressen zu sprechen.
Zweck der Selbsthilfegruppe
Bei unseren Umfragen nach den Erwartungen und dem Sinn von Selbsthilfegruppen gab es im Wesentlichen folgende Meinungen: Sie sollten aus der Isolation wegführen; Ausweglosigkeit und Einsamkeit mindern; Leute zusammenbringen, die für einander Verständnis haben; einen Zufluchtsort darstellen; die Vollwertigkeit als Mensch in der Gruppe geben; das Überdenken der eigenen Einstellung zur Krankheit erleichtern und dadurch helfen, Beziehungen und Freundschaften - auch zu Nichtkranken - einzugehen.
Ideal wäre es natürlich, wenn man als chronisch Kranker jederzeit und überall Verständnis und Hilfsbereitschaft fände. Als Realisten aber wissen wir, dass dies auch intensiver Arbeit unsererseits bedarf.